Lieber Herr Greisler,
Sie hatten in unserem Telefonat zu einem möglichen Sozialfonds für Studierende (Studienfonds)
vorhin einen Vorschlag zur organisatorischen Durchführung, zur möglichen Ausgestaltung des
Zuschussverfahrens und zu möglichen Fallgruppen gebeten. Diesem Wunsch entspreche ich gerne.
1. Organisatorische Durchführung
Hier bieten am ehesten sich die BAföG-Ämter der Studenten- und Studierendenwerke an,
und nicht die Träger der Grundsicherung. Die Studentenwerke sind mit ihren BAföG-Ämtern,
Sozialberatungsstellen und Darlehenskassen wesentlich näher an den Studierenden als die
Träger der Grundsicherung. Diese haben aufgrund der nach dem SGB Il weitreichenden
Nichtzuständigkeit für in Ausbildung befindliche nur in Ausnahmefällen Berührungspunkte zu
Studierenden. Zudem dürfte sie nun mit einer Vielzahl weiterer neu hinzugekommener
Hilfebedürftiger konfrontiert werden, sodass sie einen zusätzlichen Ansturm durch die
Studierenden kaum bewältigen könnten.
2. Ausgestaltung des Zuschussverfahrens
Ein wie besprochen unbürokratischer Studienfonds (mit bis zu 800,- € Zuschuss) könnte wie
folgt ausgestaltet sein:
* Vorlage eines Immatrikulationsnachweis
* Zum Nachweis der Notlage Vorlage der Kündigung des Jobs sowie
* Zur Höhe des Zuschusses Vorlage der 3 letzten Gehaltsnachweise/-zahlungen
3. Mögliche Fallgruppen:
Nach der letzten Sozialerhebung waren 68% der Studierenden erwerbstätig, unter diesen
gaben 59% die Erwerbstätigkeit als notwendig zur Sicherung des Lebensunterhalts an. Im
Durchschnitt betrugen die Einnahmen aus Erwerbstätigkeit damals 385 Euro.
Fällt der Job weg, entfällt diese anteilige Finanzierungsgrundlage. Dazu gibt es
unterschiedliche Fallgruppen, wie die Anfragen bei und in den letzten Tagen zeigen. Eine
Studentin, die sich ausschließlich aus Frankfurter Messejobs finanziert hat und nun ohne jede
Finanzierung dasteht. Hilfestellung: alternative Jobsuche und Beratung zu Krediten.
Fallgruppen:
* ein Student, der selbständig für einen Messebauer tätig war und der nun keine Aufträge
mehr bekommt
* mehrere studentische Gastronomiemitarbeiter, deren Einkommen plötzlich
weggebrochen sind
* ein allein wohnender Student, der sich selbst finanziert und noch ein halbes Märzgehalt
erhält, danach aber keinerlei Einkommen mehr erzielt
* Student im vierten Semester Wirtschaftsinformatik an der FH. Seine zwei Aushilfsjobs in
einer Kneipe und in eine Blumenladen liegen bis auf weiteres auf Eis. Die Finanzierung
seines Lebensunterhalts ist damit zusammengebrochen, es fehlen monatlich um die 800,-
Euro. Wie er die nächste Miete bezahlen soll ist unklar, ob und wie er die
Abschlussprüfungen im Juni machen soll ebenfalls.
* im 3. Semester Medizin an der Uni München. Ihren gesetzlich
vorgeschriebenen Unterhalt hat Sie durch einen studentischen Job aufgestockt, der jetzt
wegfällt. Die Kosten in München sind aber weiterhin viel teurer als die vorgeschriebenen
Finanzierung. Es entsteht ab sofort ein monatlicher Einkommensverlust i.H.v. 340,- Euro
monatlich. Außerdem kann ihre Familie aus Sie nicht mehr unterstützen da
dort wegen der Einkommenssperre niemand mehr arbeiten kann. Es fehlen deshalb
zusätzlich 200 Euro pro Monat, also 540 Euro gesamt.
* Student aus studiert im 4. Semester Elektrotechnik an der Leibniz Universität
Hannover. Er finanziert sein Studium überwiegend selber. Während der Prüfungszeiten
bis Anfang März konnte er aufgrund der Vorbereitung kaum jobben. Ab Mitte März und
im April wollte er u.a. auf der Hannover Messe arbeiten, bei der Studierende in kurzer
Zeit viel Geld verdienen können.
* Studentin aus dem Iran studiert im englischsprachigen Masterstudiengang Anglizistik. Sie
finanziert sich durch Elternunterhalt und durch Jobben. Sie hatte über lange Zeit einen
Job als Nachhilfelehrerin an der Internationalen Schule. Dieser Job ist durch die
Schulschließungen weggebrochen. Auch der Elternunterhalt kommt nicht mehr, da sich
auch bei den Eltern die Einkommenssituation aufgrund der Corona-Krise in Iran
verschlechtert hat.
* Studierende Eltern mit zwei Kindern: eine dreijährige Tochter und einen
anderthalbjährigen Sohn. Die Mutter studiert im 7. Semester an der
, der Vater studiert im 6. Semester an der
. Sie erhält den BAföG-Höchstsatz, er erhielt bislang Elternunterhalt (da er vor
dem Studium eine Ausbildung als Erzieher absolviert hat, hat er in keine
Chancen auf BAföG). Seine Mutter arbeitet als in der Gastronomie und hat nun
Kurzarbeit, der Vater ist in der tätig und ist ebenfalls von Kurzarbeit
betroffen. Der wegbrechende Elternunterhalt kann nicht durch BAföG ausgeglichen
werden.
Studierende ohne BAföG-Anspruch:
* BAföG-Leistungsnachweis nicht geschafft, Rückstand konnte nicht aufgeholt werden
* erst später Fachrichtungswechsel, hat jetzt aber die richtige Fachrichtung gefunden
* Regelstudienzeit überschritten
* BAföG-Altersgrenze bereits bei Studienbeginn überschritten
Ich hoffe, dass Ihnen dies weiterhilft. Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Deutsches Studentenwerk
Monbijouplatz 11
10178 Berlin